Heute präsentiere ich euch eine ganz neue, liebe Bloggerin, die erst vor kurzem ihren Weg als Schreibende in unsere Mama-Blog-Welt gefunden hat: Gloria mit ihrem Blog
Kittglo. Sie ist Mutter einer kleinen Tochter, sie ist Ärztin und nun beschreibt sie auf ihrem Blog genau diesen Alltag. Und mehr. Und heute habe ich die Ehre, sie als Gastgrummerlin begrüßen zu dürfen, wenn auch mit einem nicht ganz so lustigen Thema. Mir als Scheidungskind liegt dieses Thema jedoch sehr am Herzen. Ich danke Gloria für ihre Ehrlichkeit und diesen tiefgehenden Einblick. Danke.
Aber genug geredet! Grummel-Bühne frei für
Gloria!
Von kleinen Händen und großen Träumen
Meine Tochter Pauline ist ein Wunschkind. Vielleicht macht es
das auch so schwer. Ich wurde damals unglaublich schnell
schwanger, wir kannten uns seit gerade Mal vier Monaten. Im Nachhinein lässt sich sicher sagen: zu schnell. Aber das ist eigentlich auch vollkommen egal. Die Beziehung
zu Paulines Papa war von Anfang an schwierig. Er kam nicht
aus Köln, wollte nie hierher. Als ich schwanger wurde, zog er
trotzdem her. Wir haben ewig nach einer größeren
Wohnung gesucht, denn meine Studentenbude war natürlich keine
Option. Kurz nachdem wir eine schweineteure
3-Zimmer-Altbauwohnung gefunden hatten, wurde er arbeitslos.
Ich war schon im 7. Monat und da zum ersten Mal vollkommen
fertig. Ich hatte regelrechte Panik, dachte an das Baby und
wie das nur alles klappen sollte.
Durch Lethargie ändert sich
ja leider nur wenig, wir fingen also an, Bewerbungen zu
schreiben, haben die gelben Seiten durchtelefoniert und Firmen
belästigt. Ich hatte riesige Angst, dass unsere Vermieterin
davon erfahren und uns kurzerhand aus der Wohnung werfen würde. Der
Gang zum Arbeitsamt war unvermeidlich, ich machte Termine bei
Pro Familia und anderen Einrichtungen. Als ich im 8.
Monat war, hat mein Ex aus Verzweiflung einen Job bei einer
Zeitarbeitsfirma angenommen. Kurz vor der Entbindung dann
endlich die erleichternde Zusage eines neuen Jobs.
In dieser Zeit war ich im letzten Semester an der Uni. Ich
habe noch schnell meine letzten Prüfungen geschrieben und
nebenbei viel geheult. Und so unromantisch es jetzt auch klingt, dieses dauernde
Gefühl des "Nicht wissen, wie es weitergeht" hat schon sehr
viel kaputt gemacht. UNS haben die Probleme nicht näher
zusammen rücken lassen. Wir entfernten uns voneinander. Wir
hatten keine Gelegenheit, nochmal zu zweit in den Urlaub zu
fahren oder die Zeit bis zur Geburt zu genießen. Wir haben
gestritten und viel geschwiegen. Er hat noch nie viel, ich schon immer viel geredet.
Ich fühlte mich
oft allein. Ich schätze, er sich auch.
Das Jahr Elternzeit war das Glücklichste meines Lebens.
Pauline war sehr pflegeleicht. Sie schlief viel und lange.
Nachts vorzugsweise neben mir, er schlief auf dem Sofa. Er
musste ja zur Arbeit und wir konnten ausschlafen. Ich
stillte, traf mich tagsüber mit anderen Müttern und kochte
abends. Wenn er heim kam, spielte und schmuste er mit Pauline.
Ich war froh darüber. Ich hatte schon den ganzen Tag das Baby
geherzt, für ihn war nichts mehr übrig und ich hatte auch
absolut null Verlangen nach Körperlichkeit, wenn sie nicht
Pauline betraf.
Er war ein toller Papa, hat mich beim Abstillen unterstützt,
ich konnte abends mal ausgehen und wusste das Baby in den
besten Händen. Als Paar jedoch haben wir uns immer weiter verloren.
Sehr langsam, aber kontinuierlich.(diese Darstellung
ist sehr verkürzt) Ich weiss nicht, wann ich das erste
Mal an Trennung dachte. Aber ich weiß noch, wie ich mir
diesen Gedanken selber verbot. Und deswegen habe ich
auch zunächst nicht mit ihm drüber reden können.
Er war unglücklich. Er mochte Köln nicht, fand keinen
Anschluss und hatte Heimweh. Ich fühlte mich für sein Unglück
verantwortlich. Und so schwiegen wir weiter und ich bildete
mir ein, dass ich genug Kraft für uns alle drei zusammen hätte.
Und dass manches sich von allein regeln würde.
Als ich wieder anfing zu arbeiten, merkte ich wie abhängig ich
von ihm war. Ohne ihn hätte ich im praktischen Jahr keine
Nacht-und Wochenenddienste machen können. Ich wäre nicht zur
Prüfung zugelassen worden, denn er hütete spontan Pauline, wenn
sie krank wurde. Ich hatte ihm viel zu verdanken. Das Geld war
in diesen Zeiten immer knapp und wenn wir redeten, dann
stritten wir über das Minus auf dem Konto. Ich war sauer, da
ich gezwungenermaßen alle bürokratischen Angelegenheiten
regelte.
Ich machte Termine für Pauline beim Kinderarzt, rannte von
einer Kita-Besichtigung zur nächsten, hatte schon seitenweise
Eltern-und Kindergeldanträge durchgearbeitet. Er sagte, ich
könne sowas einfach besser und im Reden sei ich auch die
Geschicktere. Ich warf ihm vor, er mache es sich zu
leicht.
Erst viel später sagte ich ihm, dass ich mir nicht
vorstellen könne, mit ihm alt zu werden.
Dazwischen lagen viele Tränen und durchwachte Nächte.
Man hat ein Kind zusammen, da trennt man sich nicht. Es war
ja auch nichts vorgefallen - nichts, was eine Trennung nach außen hin hätte rechtfertigen können.
"Das kannst du nicht machen", sagte meine Familie. "Du musst
es machen", sagten meine Freunde.
Ich beschloss, eine Entscheidung zu vertagen, zu verschieben
und hinauszuzögern. Mit einem Kloß im Hals sah ich dabei
zu, wie Pauline sich abends im Schlafanzug an ihn schmiegte.
An "ihren Papa". Ich versuchte meine Gefühle und Ängste in Worte zu fassen, auf
einmal schafften wir es zu reden.
Wir waren scheinbar beide todunglücklich, wollten aber
unserer Verantwortung als Eltern gerecht werden. Wir
beschlossen, uns noch einmal eine Chance zu geben. Mit mehr Gesprächen, mehr als Familie zu unternehmen, mehr ans Funktionieren
zu glauben. Ich schlug eine Paar-Therapie vor.
Um das an dieser Stelle nochmal abzukürzen - ich trennte mich
nach drei Monaten. Mit Gewissensbissen und Vorwürfen
von allen Seiten. Ich frage mich bis heute manchmal "Haben
wir wirklich alles versucht?". Ja, haben wir, habe ICH. Trotzdem
bleibt das Gefühl versagt zu haben. Als Paar, als Mutter, als
Familie. Die ehrlichste Frage, die wir uns damals stellten,
war:
"Wären wir ohne Pauline noch zusammen? Nein." Aus der
Traum.
Wir beschlossen, zunächst zusammen wohnen zu bleiben. Wegen
Pauline, weil es viel zu regeln gab. Weil wir ohne den
anderen nicht arbeiten gehen konnten. Weil wir dachten es
wäre leichter so. In unseren modernen Zeiten, wo es doch ganz andere und noch
viel verrücktere Modelle des Zusammenlebens als Familie
gab.
Am Anfang hat sich nichts verändert. Getrennte
Zimmer, getrennte Leben mit dem gemeinsamen Nenner Kind.
Es fühlte komisch an. Trennung bedeutet, Schlussstrich, Liebeskummer, vermissen, Sachen aussortieren und
sich ablenken.
Das alles haben wir ausgelassen. Wir lebten
nebeneinander her,
aber in einer Wohnung.
Man hat kein Recht mehr zu fragen "Wo warst du denn so
lange?". Ich telefonierte hinter verschlossenen Türen, sehnte
mich nach Privatsphäre. Wir gingen uns zunehmend aus dem
Weg, keine gemeinsamen Mahlzeiten mehr, keinen Alltag.
Eigentlich war nur noch derjenige zuhause, der Pauline gerade
betreute.
Und die war natürlich auch nicht blöd. Weinte, wenn einer von
uns beiden ging. Fragte nach Mama oder Papa. Wenn sie uns
beide zusammen sah, hielt sie seine und meine Hand und wollte
nicht mehr loslassen.
Kleine Hände zwischen Großen als
einzige Verbindung. Es
zerriss mir fast das Herz.
Ich fühlte
mich als egoistische Rabenmutter. Jedes Klischee schoss mir
durch den Kopf. "Wenn zwei sich streiten, leidet der Dritte".
"Kinder brauchen Mama UND Papa".
Unser nächstes großes Gespräch handelte von Sorgerecht,
Unterhaltszahlungen und Aufenthaltbestimmungsrecht. Und von
seinem Auszug. Wir wollte es so richtig wie möglich machen. Gemeinsames
Sorgerecht hatten wir sowieso, das wollten wir so
beibehalten. Pauline sollte bei mir bleiben, jedes zweite
Wochenende wollte er sie nehmen. Zusätzlich an einigen
Feiertagen und in den Ferien. Ich sagte, dass er sie sehen
könne, wann immer er wolle.
An dem Wochenende, als er seine Sachen holte ,war ich mit
Pauline nicht zuhause. Als ich spät abends mit schlafendem Kind nach Hause kam, war
die Wohnung halb leer. Ich hatte mir übergangsweise eine
Matratze besorgt, das riesige Bett hatte ihm gehört. Nachdem ich Pauline in ihr Bett gelegt hatte, hievte ich
die Matratze aus dem Keller. Es ist ein enger Keller und ich
hatte Mühe, das Ungetüm in die Wohnung zu kriegen. "So fühlt
sich das also an. Alleinerziehend. Getrennt lebend", dachte
ich. Und obwohl es nur um eine bescheurte Matratze
ging, weinte ich den Rest des Abends bitterlich. Weinte um das,
was nun doch endgültig war, um Paulinen die sich in den Reigen
der Kinder einreihte, deren Eltern nicht mehr zusammen sind.
Weinte aus Angst, es nicht zu schaffen alleine, weinte, weil ich
mich als Versagerin fühlte. Ich glaube, ich habe alles "nachgeweint", was ich vorher nicht geweint hatte.
In dieser Nacht kam Pauline in mein Bett gekrabbelt und
schmiegte sich fest an mich. Das hat mich getröstet und ich
fühlte mich stark. Sie und ich und ihr Papa würden das schon
schaffen.
Haben wir auch. Mittlerweile hat sich der Alltag neu
eingependelt. Pauline weiß, "der Papa wohnt nicht mehr
hier, aber er hat mich sehr lieb". Wann immer sie möchte, rufen
wir den Papa an. Ihren Geburtstag und Weihnachten verbringen
wir gemeinsam. Jedes zweite Wochenende ist sie bei ihm. Wir
hassen uns nicht. Im Gegenteil, wir verstehen uns viel besser
als früher.
Wir haben regelmäßig Kontakt, beraten uns und besprechen
Urlaubs-und Ferienpläne. Ich schicke ihm Bilder von
Pauline.
Wenn er sie abholt oder wieder bringt, trinken wir Kaffee
zusammen oder essen Abendbrot.
Als Paar haben wir es nicht geschafft, aber ich glaube als
Eltern sind wir auf einem guten Weg.