Samstag, 31. August 2013

Wahnsinn

Ich weiß nicht, wie es euch geht - aber ich ticke nicht ganz richtig. Also jetzt nicht im harmlosen und liebenswerten Sinne, nein: ich bin ziemlich irre. Sagt auch der Mann. Ich habe es mit viel Liebe zum Detail und in jahrelanger Kleinstarbeit geschafft, so ziemlich jede Macke und Phobie in meinem Grummelhirn zu sammeln, die man auf diesem Planeten nur finden kann. Prinzipiell war das auch immer kein großes Problem. Bis die Maus zur Welt kam...

Vielleicht denkt ihr jetzt, dass ich übertreibe, dass es gar nicht so tragisch sein kann. Daher zähle ich nur mal ein paar Dinge auf, die so meinen Alltag bestimmen:

- Angst vor Spinnen (noch normal)
- Klaustrophobie (die soweit geht, dass es Horror ist, in diesen Hotelbetten zu liegen, die die Bettdecken unten unter die Matratze gesteckt haben. Oder wenn der Mann aneinandergekuschelt einschlafen will.)
- Angst vor Flugzeugen (ja, ich muss es so ausdrücken, denn ich habe nicht nur panische Flugangst, die sich langsam von Jahr zu Jahr gesteigert hat - ich habe auch Angst, dass mir ein Flugzeug auf den Kopf fällt. Ich bin sicher, ich sterbe daran, dass ein Flugzeug direkt über meinem Haus abstürzt. Und auf meinem Grabstein wird stehen: Sie wusste es und alle hielten sie für verrückt.)
- es ist nicht möglich einzuschlafen, wenn die Schranktüren des Kleiderschrankes offen stehen
- schlimmste Krankheitserfindungsundeinbildungskrankheit: Morgen wache ich tot auf!
- muss ganz sicher immer zur Toilette, wenn keine in der Nähe ist
- Angst vor Dunkelheit und dem namenlosen Grauen ("Da ist irgendjemand!" - "Nicht irgendjemand! IrgendETWAS!")
- Aufzugangst (stürzt ganz sicher mit mir ab, kurz bevor ich im steckengebliebenen Selbigen zu ersticken drohe)
- Meerangst (sicher zieht sich just in dem Augenblick das Wasser ganz weit zurück, um kurze Zeit später als gewaltiger und alleszerstörender Tsunami wiederzukehren, wenn ICH aufs offene Meer hinausblicke. Dieses Szenario albträume ich auch regelmäßig - und zwar schon lange vor 2004)

Das waren nur mal so die ersten Irrigkeiten, die mir jetzt einfallen. Warum ich das hier blogge?

Weil es alles andere als leicht ist, mit Kindern durch die Welt zu gehen, wenn man all diese Kopfkinofilme in Gedanken mit sich herumträgt. Würde die Maus zum Beispiel eines Abends behaupten, es wäre ein Monster im Schrank oder unterm Bett, müsste ich wohl schreiend den Raum verlassen, statt ihr in aller Ruhe zu erklären, dass dem nicht so ist und mit ihr zusammen nachzuschauen. Auch kostete es mich bisher eine unglaubliche schauspielerische Fähigkeit, jede Aufzugfahrt als Wettrennen zu verkaufen ("Mal sehen, wer erster ist: ihr mit dem Aufzug oder ich auf der Treppe!"). Auch ist Hypochondrie für sich alleine noch ganz spaßig und unterhaltsam - wenn man bei jedem Hüsterchen des Mäuschens aber durchzudrehen droht, fängt man sich keine exotische Krankheit, sondern den unbändigen Zorn des Mannes ein.

Kurz und gut:
Als irre Mutter hat man es nicht leicht. Man muss mit sich klarkommen und darauf achten, den Kindern die normale Welt zu bieten, die man selbst schon lange aus den Augen verloren hat. Ich hoffe und bete, dass ich das weiterhin halbwegs schaffen und eines Tages stolz auf mich sein kann. Und ich kann nur jeder Mutter, die auch nur halb so verschroben ist wie ich, raten: steht dazu und redet darüber, wenn die Kinder euch und eurem Wahnwitz auf die Spur kommen - und lacht mit ihnen zusammen über den Humbug, den euer Hirn euch vorgaukelt, denn dann ist alles nur noch halb so schlimm. Für die Kinder und für uns.

Samstag, 24. August 2013

Einjahrbaby

Endlich komme ich dazu, auch hier den ersten Geburtstag meiner Zweitgeborenen noch nachträglich zu würdigen. Ich sprach ja schon an, dass ich mitbekomme, wie viele Mütter dem ersten Geburtstag ihrer Kinder mit Wehmut und Tränen entgegensehen und sich fragen, wo die Zeit geblieben ist - und das ich das so gar nicht verstehen kann.

Ein Jahr mit dem Mäuschen. Das erste Jahr. Vorbei.
Wobei das ja auch gar nicht stimmt. Der erste Moment mit ihr begann mit dem positiven Schwangerschaftstest. Vielleicht sogar mit den drei negativen aus den vergangenen Zyklen. Denn zumindest im Kopf lebte ich ja schon mit der Idee von ihr. Oder ihm. Drei Zyklen, in denen ich mit mir und der Vorstellung von einem zweiten Kind haderte. Denn ich muss an dieser Stelle zugeben, ich wollte gar nicht wirklich ein zweites Kind, ich wollte nur kein Einzelkind. Klingt merkwürdig, aber vielleicht kann die ein oder andere Leserin den Unterschied nachvollziehen. Drei Zyklen, in denen ich das volle Programm von vorgetäuschten Schwangerschaftsanzeichen und Vorahnungen und Erwarungen und Enttäuschungen und Erleichterungen durchmachte. Und dann war der vierte Zyklus angebrochen. Und ich schwor mir, wenn dieser Test wieder negativ sein würde, dann würde ich nicht mehr weitermachen. Dann würde das Schicksal mit sagen, nein, du bist eine Grummelmama und mit einem Kind voll ausgelastet. Und dann hielt ich den positiven Test in den Händen. Und in diesem Augenblick trat das Mäuschen in unser Leben. Keine Sekunde später.

Und auch die Schwangerschaft war nicht nur rosarot. Ich machte mir permanent die Gedanken einer Zweigebärenden...

Schaffe ich das. Schaffen WIR das. Kann ich ein zweites Kind ebenso lieben? Will ich das überhaupt? Wird das nicht die Große total überfordern, ihr nicht mehr gerecht werden? Was, wenn ich das Kind nicht leiden kann? Was, wenn ich die Große nicht mehr leiden kann? Was, wenn das Kind nicht gesund ist und ich keine Zeit mehr für die Große habe? Keine Zeit mehr für mich habe? Keine Zeit mehr für irgendwas habe? Keine Zeit mehr...

Diese und ähnlich dämliche Fragen und Sorgen quälten mich die ganze Schwangerschaft.
Und dann war sie da. Nach vier Stunden wehen purzelte sie einfach so in unser Leben. Und natürlich liebte ich sie. Und natürlich war alles gut.
Aber ich will eben auch nicht verschweigen, wie die ersten Wochen und Monate waren. Hart und anstrengend und kein Zuckerschlecken. Zumindest nicht für eine Grummelmama wie mich. Sich samt Stillproblemen, Hochsommerhitze, Wochenfluss und Co. zu viert zusammenzuraufen, war nicht einfach. Und in den ersten Tagen und Nächten weinte ich viel und war mir sicher, dass sich all das nie wieder normalisieren wird. Der Babyblues erwischte mich noch heftiger als letztes Mal. Zunächst.

Doch es normalisierte sich alles wieder. Schneller, als ich dachte. Aber diese Wochen werde ich nicht vergessen. Und wie gesagt eben auch nicht die Nächte, die Schmerzen, die Probleme, die Sorgen. Und genau deshalb freue ich mich, dass das Mäuschen nun ein Jahr alt ist, fast läuft, fast spricht und kein anfälliges und zartes Neugeborenes mehr ist. Sie ist dem winzigen Schreihals und Tragling entwachsen - und ich mit ihr. Auf mich warten jetzt andere Aufgaben. Erste Zahnlücken und Einschulungen, Wettrennen und Versteckspiele. Auf mich wartet kein Wochenfluss mehr, keine Dammnaht, kein Geburtsvorbereitungskurs. Es war schön, es war aufregend, es war besonders. Beide Male. Und jetzt ist es gut. Jetzt wollen wir nicht mehr erneut zusammenwachsen müssen, jetzt wollen wir zusammen groß werden.




Sonntag, 18. August 2013

Größenwahnsinn

Wir schreiben das Jahr 2013, es sind 27°C im Schatten und es ist Mitte August. Die Kinder plantschen in Badehosen im Garten oder toben mit Sommerkleiden oder Spaghettitops, kurzen Hosen und Sandalen auf dem Spielplatz herum. Alles könnte so schön sein - wenn nicht die Kleidungsindustrie wie jedes Jahr schon beschlossen hätte, die Herbst/Winter-Kollektion 2013/14 in die Läden zu hängen.

Ja, in einer Zeit, in der die Supermarktketten im Sommer schon die ersten Nikoläuse und Gebäckmischungen anbieten, muss König Kunde sich auch schon im Hochsommer die Wollpullis und Strickwesten in den Geschäften angucken, während er schwitzend in einem Hauch von Nichts durch die klimatisierten Läden bummelt. Aber was hat das für Auswirkungen auf uns?
Für mich fühlt es sich leider ab dem ersten Herbstmodemoment so an, als wäre der Sommer schon vorbei. Ich spüre geradezu, wie das Laub sich verfärbt, die Abende kühl und kurz werden und der Geruch des ersten Schnees naht. Und das oft schon im Juli, bevor der Sommer überhaupt auf Touren gekommen ist. Das macht mich traurig, weil ich ihn oft gar nicht richtig genießen kann.

Für die Eltern unter uns bedeutet dieser Jahreszeitenkuddelmuddel aber noch etwas ganz anderes, was uns auf eine der härtesten Proben überhaupt stellt: Fröhliches Größenraten.
Woher soll ich bitte im August wissen, welche Jackengröße Mäuschen im November hat oder welche Größe die Winterstiefel für die Maus haben müssen? Geschweigedenn zu ahnen, ob das Mäuschen dann überhaupt schon welche braucht! Dasselbe Spiel spielt man als Mutter auch gerne umgekehrt, wenn man im tiefsten Winter in den Geschäften die ersten Sommersandalen findet und nicht weiß, ob man vor Lachen oder Weinen zusammenbrechen soll. Wenn jetzt jemand denkt "Dann kauf das halt, wenn die Zeit reif ist...", muss ich leider grummelig den Kopf schütteln. Wie oft habe ich - total dreist und frech - im Juli noch Sandalen für ein Kleinkind gesucht! Alles ausverkauft, kaum noch Größen zur Auswahl, so die genervten Antworten von Verkäuferinnen. Und der Schuhsupergau dann letzten Winter, in dem die rücksichtslose Maus doch aus ihren im Spätsommer gekauften Winterstiefeln rausgewachsen und NIRGENDS Ersatz aufzutreiben war. Weder online noch in Läden. Ob das Kind nur meiner Bitte, seine Füße nicht mehr so schnell wachsen zu lassen, nachkommt, ist fraglich bis unsicher.

Was sind wir? Eltern! Und was wollen wir? Winterschuhe im November und Sommersachen im Juli!
Ich jedenfalls habe die Schnauze voll vom Größenroulette und den Ratespielen - und ganz ehrlich habe ich auch keinen kleinen Esel, der sein Schwänzchen hebt und Euronen kackt, damit ich mehrere Größen für jede Jahreszeit abdecken kann, um auch mal einen Treffer zu landen.

Sonntag, 11. August 2013

Mama No Go (1)

Wir alle kennen die seltenen, entspannenden und wundervollen Abende, die nur uns gehören und die wir mit Freundinnen außer Haus im Kino, im Biergarten oder beim Shopping verbringen können. Raus aus der Routine des Windelnwechselns, des ewigen "Mamaaaaa!"-Gerufes, der Habachtsonstfälltdaskindsichdiezähnerausstellung... Entspannend, befreiend, unglaublich wichtig.

Und dann passiert es, dass man sich mit einer anderen Mutter trifft, die man noch nicht so gut kennt und die scheinbar die heiligen Regeln des kinderfreien Abends oder Nachmittags irgendwie so gar nicht kapiert, oder schlimmer, noch nie davon gehört hat. Man sitzt also da, schlürft genüsslich am ersten Mojito, will gerade das Mamahirn aus- und das Nur-Ich-Hirn einschalten, da passiert es: Die andere Mutter redet von ihren Kindern. Vom Windelnwechseln, vom ewigen "Mamaaaa!"-Gerufe und von der Habachtsonstfälltdaskindsichdiezähnerausstellung. Nicht so tragisch, mag jetzt manche Leserin oder mancher Leser denken - aber was, wenn sie nicht mehr damit aufhört? Wenn sie den kompletten ersten und zweiten Mojito lang von nichts anderem redet? Auch noch nicht so tragisch? Na gut, aber was, wenn sie beim dritten Mojito (den nur ich trinke, weil ich sonst laut schreien muss) anfängt, mir ein Kinderbild nach dem anderen auf ihrem Handy zu zeigen und bei der Suche dort dann auch noch auf ein paar niedliche Videos der putzigen Kleinen stößt? Jaha, JETZT wird die ganze Tragweite eines solchen Treffen klar, oder? Und wenn dann auch noch jeder Versuch, das Gesprächsthema auf etwas anderes zu lenken, knallhart und eiskalt abgeblockt wird, dann hilft wahrscheinlich auch kein vierter Mojito mehr. Kann aber auch nicht schaden.

Liebe mir noch fremde Mütter, die sich in nächster und ferner Zukunft mit mir treffen wollen:
Ich nutze meine kinderfreien Abende tatsächlich dazu, mich zu entspannen und aus meinem Alltag zu entkommen. Ich rede sicherlich auch mal über meine Kinder, keine Frage. Aber ich rede nicht über Einschlafrituale, Stuhlgewohnheiten, Kinderkrankheiten, die Farbe des letzten Erbrochenen, die Freundinnen der großen Schwester, die Wandschmierereien der Kleinsten, meine schlaflosen Nächte, deine schlaflosen Nächte und schon gar nicht rede ich über persönliche Dinge wie meine Ehe und deren Streitereien.
Ich rede über Musik und Schuhe und Bücher und Filme und Shopping und die Welt, über das Leben und wegen mir auch über die aktuelle Tagespolitik.
Wenn ihr über nichts anderes reden könnt, als eure Kinder, dann muss ich leider davon ausgehen, dass ihr in eurem Leben nichts anderes mehr habt, worüber es sich zu sprechen lohnt. Und dann tut ihr mir leid und habt mein tiefstes und ehrlich empfundenes Mitgefühl. Aber bitte, bitte: trefft euch mit euresgleichen.
Denn ich bin zwar Mutter, aber eben nicht nur. Ich bin immer noch die Frau, die ich VOR den Kindern war. Wo ist die Frau hin, die ihr vorher wart?

Und an alle anderen: Ihr wisst, welche Art Mutter ich meine. Ich lästere über sie, ich mache Scherze auf ihre Kosten - aber eigentlich ist es wirklich verdammt traurig, so zu sein. Auch für die Kinder. Wäre ich auch nur ansatzweise so wie sie, würden meine Kinder keine Grummelmama, sondern eine Trauerkloßmama haben. Und das permanent.

In diesem Sinne: Haut rein und genießt euer Frau-Sein! Und vergesst nicht, das schlechte Gewissen an der Haustüre dem Papa oder Babysitter abzugeben, bevor ihr geht!
Und noch eine Anmerkung der Ich-Redaktion: Alkohol ist nicht immer eine Lösung, gerne darf auch eine Cola oder ein Virgincocktail getrunken werden - nur, damit wir uns richtig verstehen ;)

Mittwoch, 7. August 2013

Erziehung?

Vor ein paar Tagen habe ich mich mit der Maus mal wieder ins Freibad getraut, immer im Stillen hoffend, dass dieser Besuch der Letzte für diesen Sommer sei. Im Grunde war zu Anfang auch alles okay. Es war nicht zu voll, nicht zu warm, nicht zu laut. Mann und Mäuschen haben wir kurzerhand zu Hause gelassen, um das Stresspotential zu minimieren und so konnte ich einfach das tun, was ich dort immer tue:
besonnenbrillt und mit der Aufmerksamkeit eines Erdmännchenweibchens auf einer Bank am Rand des Kinderbereichs sitzen und mit Tunnelblick die Maus im Auge behalten. Es war allerdings nicht so ein Kindereintopf im Becken wie sonst, so dass Zeit blieb, mir auch die fremde Brut etwas zu betrachten. Wie immer gab es die Spielsachenmopser, die übertriebenen Wasserpistolisten, die niedlichen aufgerüschten Badenixen, die schüchternen Sitzerchen und die sehr lauten Planschegeister. Zu laut. Maus gehört dazu.

Doch an diesem Tag stach ein Kind besonders aus dem Tumult heraus: Ein etwa 9jähriger Junge, offentsichtlich mit Down Syndrom, spielte im Babybecken mit einem Eimer. Soweit die Fakten, die die meisten Eltern registrierten. Dann die Fakten, die die meisten Eltern als nächstes präsentiert bekamen: Der Junge rastete plötzlich komplett aus und fing an, die kleinen und nicht mehr ganz so kleinen Jungs um ihn herum wirklich ziemlich brutal zu schlagen - bis sein (auch noch) dunkelhäutiger Vater entsetzt ins Becken rannte und ihn von den anderen trennte. "Wie kann man mit so einem Kind nur in ein Schwimmbad gehen?". "Die sind doch alle so brutal, ganz schlimm". "Warum war der Vater nicht direkt bei ihm, war ja klar, dass das nicht gut geht!" - solche und noch uncharmantere Sätze brummelten die Mütter um mich herum ihren Erdmännchenweibchennachbarinnen zu.

Und ich hätte gerne gekotzt. Entschuldigt meine Ausdrucksweise, aber das ist etwas, was mich einfach unfassbar krankärgert. Denn das, was zwischen Fakt 1 und Fakt 2 passiert ist, ist scheinbar niemandem außer mir aufgefallen: Die kleinen und nicht mehr ganz so kleinen Jungs, auf die der Down-Junge losgegangen war, hatten ihn die ganze Zeit geärgert, mit Wasser bespritzt und beschossen und ihm Dinge zugerufen, die ich nicht verstehen konnte. Und er ließ sich diese Behandlung auch wirklich eine Weile gefallen, doch dann wurde es ihm einfach zu viel, er fühlte sich sichtlich bedrängt und sah rot. Was ich komplett verstehen kann. Und dann war er den Kindern körperlich überlegen, eben weil er ein paar Jahre älter als sie zu sein schien.

Leider war der Papa mit seinem Sohn weggestürmt, bevor ich die Sachlage aufklären konnte, was ich wirklich gerne getan hätte - und noch jetzt ärgere ich mich, dass ich nicht einfach eingegriffen und die Jungs zum Aufhören ermahnt habe, aber sich in solche Dinge einzumischen wird einfach nicht gerne gesehen am Muddipasstnuraufihrblagaufbecken. Und ich frag mich nun nicht, wie man mit so einem Kind nur in ein Schwimmbad gehen kann oder denke, dass "die" doch alle so brutal sind oder warum sein Papa nicht direkt bei ihm war, weil er sich doch hätte denken können, dass das nicht gut geht - ich frage mich völlig sprachlos, wo denn die Eltern der Jungs waren, die in aller Seelenruhe einen Jungen piesacken und ärgern konnten, ohne dass ihnen Mutter oder Vater klarmachen, dass sowas einfach aller unterste Schublade ist?

So läuft es so oft. Und hier versagt die Erziehung total. Und genau aus solchen Gründen wird es nie ein richtiges und respektvolles Miteinander geben können. DAS gehört für mich eben zu einer guten Erziehung dazu. Hier hat ganz klar die Gesellschaft versagt. Nicht der Papa des Jungen, der einfach nur einen schönen, vielleicht letzten Hochsommertag für dieses Jahr haben wollte. Kinder wissen es vielleicht noch nicht besser, aber die Reaktionen der Frauen um mich herum zeigen leider deutlich, welcher Art die Aufklärung sein wird, die sie ihren Kindern zukommen lassen werden.

Leute, denkt doch einfach mal nach, bevor ihr so, entschuldigt, bescheuert seid und die schlimmsten Vorurteile, die es gibt, auch noch an eure Kinder weiterreicht. Danke.

Donnerstag, 1. August 2013

Kunstlos

Eine liebe Leserin meines Blogs bei Facebook hat mich auf die Idee gebracht, meine Daseinsberechtigung als Mutter zu überdenken. Beziehungsweise unsere. Heute guckt man sich um und stellt im Mamadschungel schnell fest, dass man scheinbar die goldene Supermuddimedaille nur bekommt, wenn man nähen kann. Oder filzen. Oder alles zusammen. Wo man hinsieht nähen entzückte Frauen Mützchen, Höschen, Kleidchen, Haarbänder und Röckchen. Für sich selbst und für Dawanda. Geschäftstüchtige haben auch ein schier unerschöpfliches Sortiment von Wickeltaschen, Mutterpass- und U-Heft-Hüllen. Und wenn man es richtig drauf hat, dann steigt man in die Näh-Königsdisziplin ein: Mei Tais oder ähnliches, was man dann für 40 - 100 Euro bei Dawanda an die Frau bringen kann. Unglaublich.

Für alle, die wie ich total unbegabt in solchen Dingen sind, eine Erklärung: Ein Mei Tai ist kein leckerer Rumcocktail, sondern eine Bauchtrage für die Brut. Da ich selbst maximal eine (natürlich gekaufte) Bauchtrage besitze (jaja, natürlich mit superergonomischer Anhock-Spreizhaltung...), die ich nur selten für Kurzstrecken benutze, da ich Tücher nicht mag und einfach eine überzeugte Schiebemama bin, kenne ich mich auf diesem Gebiet auch nicht wirklich aus. Aber es gibt einen riesigen Markt dafür. Und am besten scheint es zu sein, wenn auf allen Mützchen, Höschen, Kleidchen und Röckchen Eulchen prangen. Und ich frage mich verwundert, wer wann beschlossen hat, dass Eulen so niedlich sind? Ich finde, Eulen sind stattliche, tolle und schon ein bisschen mysteriöse Federtiere und spätestens seit Potters Harry auch wirklich gesellschaftsfähig - aber niedlich? Ich weiß nicht. Ich finde, Eulen werden inflationalisiert - falls es dieses Wort gibt. Falls nicht, sollte man es erfinden.

Warum erzähle ich das eigentlich alles? Ich bin mir nicht sicher. Die einen werden sagen, aus mir spreche der pure Neid. Die anderen werden nicken und mir zustimmen und den ganzen Hype ums Nähen nicht verstehen. Beide haben wohl Recht. Auf der einen Seite finde ich es toll und beneidenswert, wenn man sich mal eben schnell was nähen kann. Oder den lieben Kleinen. Auf der anderen Seite finde ich es anstrengend, wenn man auf jeder Seite im WWW, die etwas mit Eltern und Kindern zu tun hat, mit all diesen genähten Sachen konfrontiert wird. Wenn es jemand macht, weil er da schon immer wirklich Spaß daran hatte: Daumen hoch und mein Respekt! Aber wenn man als Mutter irgendwann das Gefühl vermittelt bekommt, dass man nur eine richtige Supermom ist, wenn man neben Haushalt, Arbeit, Ehefrausein und Erziehung auch noch all diese Eulchen-Klamöttchen nähen kann, dann nervt es doch gewaltig.

Aber selbst ich muss zugeben, dass ich mich daran aus ebendiesen Gründen schon versucht habe. Das Ergebnis, ein kleines Stofftier OHNE Eulchen, konnte sich überhaupt nicht sehen lassen und ich bin nur um die Erfahrung reicher geworden, dass ich einfach keine Nerven für all das Gezottel und Geschnipsel des Nähens habe. Ich werde aggressiv und laut und nach etwa 5 Minuten und dem ersten Problem, das als Anfängerin garantiert auftritt, fliegen alle Stoffe und Garnrollen durch den Raum und der Mann muss mich sanft von seiner Nähmaschine führen. Ja. SEINE Nähmaschine, denn bei uns näht der Mann. Praktische Dinge, die genäht werden müssen. Keine Eulen.

Also bitte: Gemach mit all dem Federvieh - aber wenn ich ab und zu etwas von nähenden Freundinnen geschenkt bekomme, dann freue ich mich unglaublich, weil ich auch etwas zum Rumzeigen habe und weil ich begeistert bin, dass Menschen, die ich mag, sowas Schönes für mich genäht haben. Aber ansonsten gehe ich doch lieber in den Laden und fröhne meiner Kleidershoppingsucht. Das kann ich nämlich gut - auch wenn ich damit keinen Cent bei Dawanda verdienen kann. Schade eigentlich.