Obwohl die letzten Tage turbulent und von kränkelnden und gar nicht starken Mädchen und Müttern geprägt war, bin ich immer wieder auf Blogs gestoßen, die sich der Blogparade von Berlinmittemom mit ihren tollen und bewegenden Beiträgen angeschlossen haben. Und da ich nicht nur zwei Töchter habe, von denen ich hoffe, dass sie eines Tages starke Mädchen werden, sondern ja auch selbst eine Tochter bin, wollte ich mich ihnen unbedingt anschließen. Ich war mir die ganze Zeit gar nicht sicher, was genau ich eigentlich schreiben wollte und schob den Beitrag vor mir her. Aber dann dachte ich, ich fange einfach an, etwas von mir zu erzählen.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich ein starkes Mädchen war. Freundinnen versicherten mir dies zwar immer wieder - und tun es heute noch, doch ich selbst kam mir fast immer alles andere als stark vor. Auch meine Mutter, die mich jahrelang alleine erzog, wurde immer für ihre Stärke und ihren Mut bewundert. Alleinerziehend mit einer nicht immer einfachen kleinen Tochter, ganztags arbeitend, alle Last auf ihren Schultern alleine tragend - und doch immer die Zeit habend, mit ihrem Kind in Urlaub zu fahren (obwohl kein Geld da war), mit ihrem Kind Unternehmungen und Abenteuer zu erleben (obwohl kaum Zeit da war) und die kleine Grummeltochter niemals spüren zu lassen, wie der Alltag in Wirklichkeit aussah. Für mich war meine Mutter meine Heldin. Ist es heute noch. Sie war immer da, wenn ich sie brauchte. Sie IST immer da, wenn ich sie brauche - selbst wenn ich das nicht immer verdiene.
Es gibt viele Momente im Leben, in denen es mir nicht gut ging in meinem Körper, mit meinen Gedanken, in meiner sich rasant ändernden Kinder- und Teenagerwelt der 1980er und 90er Jahre. Die Zeit, in der mein Dad von uns wegzog, der Moment, in dem mein Stiefvater in mein Leben trat, der Tod meiner Oma (und somit der Moment, in dem ich zum ersten Mal erlebte, was es bedeutet, einen Menschen wirklich zu verlieren), Schulwechsel, Freundschaftswechsel, erste, schmerzhafte Liebe... Rückblickend erscheint einem all das lächerlich lange her und irgendwie nahm auch alles ein gutes Ende. Ich habe zwei tolle Elternpaare, tolle jüngere Brüder, einen großartigen Mann und zwei wunderschöne, kerngesunde Töchter.
Aber ich weiß auch, dass ich meiner Mutter viel zu verdanken habe. Sicherlich hat sie das Gefühl, nicht immer alles richtig gemacht zu haben. Welche Mutter hat das nicht? Aber sie hatte auch die Last zu tragen, eine Tochter zu haben, die immer wieder auf schwierige Pfade geriet, wenn auch unabsichtlich und nie aus radikalen Beweggründen heraus. Ess- und Angststörungen, introvertiere und eine Mutter sicher verängstigende Phasen, Teenagerselbsthass und schlimmste Liebeskummerarien. All das sind Dinge, durch die heranwachsende Mädchen gehen können, vielleicht müssen, wenn sie eines Tages als junge Frau aufwachen und bemerken, dass sie nicht so sind, wie sie gerne wären. Dass sie glauben, nicht mehr das anziehen zu können, was sie noch gestern schön gefunden hatten. Dass sie den Menschen nicht mehr kennen, der sie dort im Spiegel anblickt. Dass der Moment, in dem ihnen schmerzhaft bewusst wird, von der ersten großen Liebe nicht zurückgeliebt zu werden, der schlimmste im ganzen Leben zu sein scheint. Dass das Leben nie mehr so sein wird, wie es einmal war. Beschützt, kindlich, sicher.
Und genau dann, in diesem alles entscheidenden Moment ist sie da. Die Frau, die einen monatelang unter ihrem Herzen trug, die einem alles beibrachte, alles zeigte, alle kindlichen Widrigkeiten aus dem Weg räumte. Und sie sagt dieser jungen Frau im Spiegel, dass sie weiß, wie es in ihr aussieht. Sie lacht nicht, sie sagt nicht "Ist nicht so schlimm, es kommen noch ganz andere Dinge im Leben auf dich zu", sie wendet sich nicht ab und sie wirft nie alles hin. Sie nimmt diese junge Frau in den Arm und verspricht ihr, mit ihr durch die Hölle zu gehen, wenn es sein muss. Sie verspricht ihr, dass alles gut wird und dass sie immer an ihrer Seite ist, ganz egal, was kommt. Und genau solche Momente machen eine junge Frau zuerst zu einem starken Mädchen - und dann zu einer starken Mutter.
Meine Mutter sagte einmal, es sei nicht stark, durch schlimme Dinge gehen zu können, ohne einen Totalschaden zu erleiden - man hätte in vielen Momenten einfach keine andere Wahl. Und ich weiß, was sie meint. Aber für mich ist heute Stärke einfach die Abwesenheit von Resignation und der Mut, Schwäche zu zeigen und dennoch den steinigen Weg weiterzugehen. Und ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass ich für meine beiden Mäuse einmal genauso stark sein und ihnen die gleiche Basis bieten kann, die mir meine Mutter mein Leben lang gab und gibt. Die Basis, zu der man immer wieder zurückkehren kann, wenn man seine eigenen Erfahrungen gesammelt und seine eigenen Fehler gemacht hat und feststellen muss, dass dies sehr schmerzhaft sein kann. Die Basis, die einem keinen Weg vorgibt, aber den gewählten immer schützend begleitet. Denn ich glaube, dass man seine Töchter vor dem meisten nicht beschützen kann, selbst wenn man es so sehr will. Sie werden sich eines Tages zu dick, zu dünn, zu dumm, zu schlau oder zu hässlich fühlen. Sie werden an sich zweifeln, Dinge ausprobieren, die wir für falsch und gefährlich halten. Sie werden Entscheidungen treffen, die wir nicht gutheißen können. Sie werden sich Vorbilder suchen, die uns unverständlich erscheinen. Sie werden Wege einschlagen, die wir für sie nicht gewählt hätten. Doch für mich gehört all das in Maßen irgendwie zum Erwachsenwerden dazu. Die Kunst, die Stärke ist es, seiner Tochter immer wieder zu vermitteln, dass sie das schönste und tollste Mädchen der Welt ist - aber ihr dennoch das Gefühl geben zu können, es in seinen Zweifeln, Ängsten und Entscheidungen ernst zu nehmen. Denn DAS macht für mich den Unterschied.
Freitag, 1. November 2013
Blogparade: Gemeinsam für starke Mädchen!
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Kommentare zum Post
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Ich habe gerade auch bei Berlinmittemom gelesen und finde, es geht hier um ein unglaublich wichtiges Thema! Immer wieder mal mache ich mir Gedanken, wie es wohl wird, wenn meine Tochter als Frau aufwacht und merkt, dass nichts mehr so ist, wie es mal war. Dieser eine von dir geschriebene Abschnitt berührt mich gerade sehr, weil du ganz viel Gefühl beschreibst, das man in diesem bestimmten Alter auch so oder ähnlich durchlebt und gefühlt hat. Und weil ab dann diese kindliche Unbeschwertheit für immer verschwindet. Irgendwie traurig. Aber da geht wohl kein Weg dran vorbei. Gut, wenn die Mutter dann immer da ist und nicht den Weg bestimmt, sondern besser begleitet und stärkt und auffängt und Vorbild bleibt, auch wenn es schwierig wird (schwieriger/noch schwieriger). Eine verdammt große Aufgabe, die man da als Mutter hat.
AntwortenLöschenIch danke dir für diesen persönlichen Post, für all die Worte und Wahrheiten, für Gedankenanstöße - für ein Stück Grummelmama. :)
Liebe Grüße
Tanja
Liebe Tanja, dank dir für deine Worte. War irgendwie auch gar nicht so leicht, das zu schreiben. Sehr persönlich und so anders als sonst. Aber ich finde dieses Thema, gerade als doppelte Mädchenmama, auch total wichtig und wollte einfach mal ein Stück von mir einfließen lassen, das sonst nur meine engsten Herzensmenschen kennen.
LöschenIch hoffe, wir machen das später mal alles richtig... Zumindest haben wir das beste vor, oder?
Liebe Grüße zurück,
deine Katja