Donnerstag, 4. Juli 2013

Eingeborene

Als ich noch als junge und dynamische Studentin durch diese meine Wahlheimatstadt schlenderte, musste ich immer wieder Müttern zuhören, die von alltäglichen Dingen wie Kindergärten, Spielplätzen, Schlafanzügen oder Sandspielsachen in Worten sprachen, dass sich mir als Nicht-Schwabe und Nicht-Mutter die Nackenhaare aufstellten - noch dazu kam mir das kalte Grausen als Sprach- und Literaturwissenschaftlerin.

Für alle Mit-Nicht-Schwaben folgt sogleich die Erklärung:

Im Ländle spricht Muttilein nicht vom Kindergarten, sie bringt ihre Brut in den "Kindi" und holt sie von dort auch wieder ab. "Gschwind" versteht sich.
Danach geht man mit den lieben Kleinen nicht auf den Spielplatz und nimmt Sandspielsachen zum Buddeln mit, man geht "gschwind" zum "Spieli" und nimmt "Sandelsachen" zum "Sandeln" mit.
Wenn die Kinderlein dann genug gesandelt haben, packt man das ganze Gebemsel wieder ein und geht "gschwind" nach Hause, um dort dem Kind nicht den Schlafanzug anzuziehen, sondern es "gschwind" in den Schlafi schlüpfen zu lassen.

Mir kam es ja fast hoch bei dieser Vergewaltigung der Sprache und ich nahm mir fest vor, niemals in dererlei Sprachmissbrauch zu verfallen, sollte ich in dieser Stadt denn einmal selbst Kinder bekommen.

Leider kam alles anders. Auch meine Kinder gehen in den Kindi, sandeln gerne und oft auf dem Spieli und schlüpfen abends gschwind in den Schlafi. Mea maxima culpa. Und das schlimmste an all dem ist: Diese Art zu sprechen und sogar zu denken schleicht sich so leise und heimlich ein, dass man es gar nicht merkt und aufhalten kann. Sogar "Veschpa" gebe ich der Maus mit in den Kindi. Und ich frage mich jeden Tag, wo das mit mir noch hinführen soll.

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